
Öfter mal was Neues. Wie die Tage angekündigt, habe ich jetzt erstmals ein Brot mit Langzeitfermentation gebacken. Das war nicht wirklich schwierig, aber wie immer, wenn man eingelaufene Pfade verlässt, tastet man sich besser eher langsam vor. Zum Glück hatte ich einen kompetenten Berater an meiner Seite. Wobei »Seite« nicht ganz korrekt ist, zumal der Benjamin Kowarsch sich um die 12.000 Kilometer entfernt von hier befindet. 😉
Aus Tokyo gelangten eine Vielzahl von Hinweisen, Hintergrundinfos und Tipps in meine Detmolder Backstube. Ich habe viel dabei gelernt über die Langzeitfermentation, aber auch einige andere Bäcker-Basics beigebracht bekommen. Nun muss ich die nur noch stets anwenden. Sollte klappen.

Knapp 26 Stunden hat es gedauert vom Teigansatz bis zum fertig gebackenen Brot. Dazwischen war eigentlich alles (fast) wie immer, nur dass die Ruhe- und Reifezeiten viel länger waren, dass der Teig sehr viel öfter gedehnt und gefaltet wurde, dass nur sehr wenig Anstellgut zum Einsatz kam, dafür aber sehr viel mehr Wasser eingearbeitet werden musste, was den Teig etwas schwieriger zu handhaben macht. Aber alles nichts Wildes, alles machbar.[1]Sogar 30 bis 48 Stunden Fermentationszeit sollen möglich sein. Das habe ich mich noch nicht getraut.
Belohnt wird man mit einem extrem schmackhaften, sehr aromatischen Brot mit einer wunderbaren, weichen Krume, mit einer Kruste, die gut nach den eigenen Bedürfnissen zu steuern ist. Der Ofentrieb ist ordentlich, weshalb man mutig und tief einschneiden sollte, damit sich der Teig gut ausdehnen kann. Benjamin sagt: »Die Teiglinge fallen dann zwar oft auf die Hälfte ihrer Höhe zusammen, aber der Ofentrieb macht das wieder wett.«
Mein selbstgemachtes Lame de Boulanger ging mit der Rasierklinge offenbar noch nicht tief genug; so hat sich kein gewollter Riss, sondern seitlich ein kleiner Knauz gebildet. Halb so wild – schmeckt man ja nicht. Für mein selbstgebautes Bäckermesser werde ich dem Expertenrat folgend noch eine gebogene, längere Klinge mit Wellenschliff machen. Für die nächsten Male.
Das Rezept (in englischer Sprache) findet sich hier. Dort gibt es auch Videos über die Teigarbeit – es ist kein lupenreines Noknead-Brot – und das Formen des Laibes. Wobei das gründliche Entgasen in diesem Fall wirklich wichtig ist. Es sei denn, man mag fußballgroße Löcher in seinem Brot. 🙂
Ach, übrigens: Maschineneinsatz ist gleich null; alles reine Handarbeit. Finde ich auch nicht ganz unwichtig.
Bei dem Rezept habe ich mich für eine Änderung entschieden. Statt ausschließlich Vollkornmehl habe ich 75 Prozent Ruchmehl und 25 Prozent Roggenvollkornmehl verbacken. Passt für mich – würde ich wieder so machen. Die Hydratation lag nominell bei etwas mehr als 80 Prozent. Da ich aber bei der ersten von drei Herstellungsphasen noch einiges an zusätzlichem Wasser eingearbeitet habe, war sie effektiv wesentlich höher. Genau kann ich es nicht sagen; ich habe einfach dem Teig gelauscht und ihn gefühlt und mich davon leiten lassen. Es wäre wohl noch mehr – bis zu 100 Prozent – möglich. Auch beim Mehl gibt es noch Möglichkeiten der Optimierung.
Im Ergebnis merkt man den hohen Wasseranteil der Krume schon nach zweieinhalb Tagen an, dass sie nicht so schnell trocken wird. Das ist schon mal gut. Aber es gibt auch noch andere positive Effekte.
Unterm Strich würde ich sagen: Meine Gesellenprüfung als Bäcker hätte ich wohl versemmelt. Aber für einen fröhlichen Dilettanten war das gar nicht mal so übel. 🙂
Ob das alles jetzt nach der reine Lehre von Respectus Panis war, wage ich nicht zu beurteilen. Aber die Denke dahinter finde ich gut und richtig.
Nebenwirkung: Ich denke über die Anschaffung einer ordentlichen Getreidemühle nach. Zuvor werde ich aber erst noch ein paar Brote mit extrafeinen Vollkornmehlen vom Müller meines Vertrauens nach dieser Methode backen.

Anmerkungen
↑1 | Sogar 30 bis 48 Stunden Fermentationszeit sollen möglich sein. Das habe ich mich noch nicht getraut. |
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